John Cusack im Interview: „Das war teilweise schon ein irrer Trip“ (2024)

Früher war John Cusack, geboren am 28. Juni 1966 in Evanston bei Chicago, dank Filmen wie „Das darf man nur als Erwachsener“ oder „Teen Lover“ ein Teenie-Star, später feierte er Erfolge mit Filmen wie „Bullets Over Broadway“, „Con Air“, „Being John Malkovich“ oder „High Fidelity“, für den er für den Golden Globe nominiert wurde. In letzter Zeit kommen viele der Filme des Amerikaners nicht mehr in die Kinos, sondern erscheinen direkt auf DVD. Vielleicht auch ein Grund, warum er in dem humorvoll-brutalen Verschwörungsthriller „Utopia“ (seit30.10. bei Amazon Prime) nun erstmals eine Serienrolle angenommen hat.

Mr. Cusack, nach über 35 Jahren als Schauspieler ist „Utopia“ die erste Serie, in der Sie eine feste Rolle übernommen haben. Warum hat das so lange gedauert?

Es ist nicht so, dass ich Serien bislang kategorisch ausgeschlossen hätte. Aber offensichtlich kreuzte früher einfach nichts meinen Weg, was mich wirklich begeistert hat. Außerdem nimmt ein Serien-Engagement ja meist ziemlich viel Zeit in Anspruch. Je nachdem, um wie viele Folgen es geht, ist man mehrere Monate damit beschäftigt, unter Umständen über mehrere Jahre. Dafür hatte ich in der Vergangenheit nie wirklich die Zeit. Das war bei „Utopia“ anders – und weil hinter der Serie die großartige Autorin und Showrunnerin Gillian Flynn steckt, war ich auf Anhieb interessiert. Als sie mir dann auch noch die Drehbücher schickte und ich sie in einem Rutsch bis drei Uhr nachts durchlas, weil ich nicht aufhören konnte, war die Sache fürmich geritzt.

Was begeistert Sie so an Flynn?

Sie ist einfach gut, was soll ich sagen. Vieles, was man als Schauspieler zu lesen bekommt, ist spätestens auf den zweiten Blick einigermaßen windschief und wenig solide. Da muss man nur ein bisschen bohren und schon zeigt sich, dass viele Texte nicht sonderlich sorgfältig konstruiert sind und deswegen schnell in sich zusammenfallen. Das ist bei Gillians Arbeiten nicht der Fall, denn die sind unglaublich gut durchdacht, dicht und gehen in die Tiefe. Manchmal ohne, dass man es auf Anhieb merkt. Dem Stresstest eines Schauspielers, dem man eigentlich jede Geschichte unterziehen sollte, halten sie locker stand. Dass nicht nur unglaublich klug, sondern in der Zusammenarbeit auch enorm liebenswürdig ist, tut natürlich ein Übriges.

Es geht in der Serie um Comicbücher und deren Fans, um Verschwörungstheorien und – nicht zuletzt dank des von Ihnen gespielten Forschers – auch um moderne Wissenschaft und deren Verantwortung. Welcher Aspekt hat Sie am meisten gereizt?

Tatsächlich ehrlich gesagt das Zusammenspiel von all diesen Themen. Dass die sich alle für „Utopia“ unter einen Hut bringen ließen und tatsächlich in Verbindung zueinander stehen, fand ich spannend. Die Bandbreite der Themen in dieser Serie macht sie interessant und hebt sie von anderen ab.

Allein die Tatsache, dass in „Utopia“ auch tödliche Viren und eine Pandemie vorkommen, macht sie zu einer Serie wie gemacht für unsere aktuelle Zeit, nicht wahr?

Tja, sie ist im Guten wie im Schlechten auf wirklich erschreckende Weise zeitgemäß. Ich könnte gut verstehen, wenn das dem einen oder anderen gerade ein bisschen zu nah an der Realität erscheint. Die utopischen und dystopischen Elemente dieser Geschichte fangen den Zeitgeist unserer Welt einfach sehr gut ein, auch jenseits der Corona-Pandemie.Trotzdem sollte man vielleicht betonen, dass „Utopia“ vor allem gut gemachte Unterhaltung ist, die – je nach Blickwinkel – auch einfach kurzweilig vom Alltag ablenken kann.

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Gedreht wurde die Serie in Ihrer Heimatstadt Chicago. Ist es für Sie etwas Besonderes, direkt vor der Haustür zu arbeiten?

Absolut, keine Frage. Und glücklicherweise kam ich in meiner Karriere schon ein paar Mal in das Vergnügen. Nicht nur bei Filmen, zu denen ich selbst das Drehbuch schrieb, wie „High Fidelity“ oder teilweise „Ein Mann – ein Mord“. Sondern zum Beispiel auch bei „The Ice Harvest“ von Harold Ramis. Ich liebe es, in Chicago zu drehen. Die Stadt ist nicht nur mein Zuhause, sondern auch ein Ort der spannenden Widersprüche. Bei „Utopia“ war das Wunderbare, dass wir im Sommer drehten und ich morgens mit der Vespa oder demFahrrad zur Arbeit fahren konnte. Wann hat man das schon mal?!

Und ist die Arbeit nun eigentlich eine andere, ob man nun einen Film oder eine Serie dreht?

Das Spielen selbst natürlich nicht. Aber die Umstände sind schon andere. Man arbeitet ja zum Beispiel bei verschiedenen Folgen mit unterschiedlichen Regisseurinnen und Regisseuren zusammen. Außerdem habe ich noch nie eine Figur über einen so langen Zeitraum gespielt und war noch nie Teil einer acht oder neun Stunden dauernden Geschichte. Das war durchaus alles ungewohnt, dadurch natürlich aber auch reizvoll.

Gibt es eine andere Figur in Ihrer langen Filmografie, die Sie gerne länger als bloß für einen Spielfilm gespielt hätten?

Gute Frage. Ich habe ja auch tatsächlich nie echte Fortsetzungen meiner Filme gedreht. Und in den meisten Fällen habe ich auch kein Problem damit, eine Rolle hinter mir zu lassen und mich der nächsten zu widmen. Spontan fällt mir jedenfalls höchstens „Zimmer 1408“ ein. Gar nicht so sehr, weil ich noch mal diese Figur spielen möchte. Aber mich abermals in die unglaubliche Gedankenwelt von Stephen King zu begeben, darauf hätte ich schon große Lust.

Mit der Schauspielerei fingen Sie noch vor Ihrem High-School-Abschluss an. Hatten Sie eigentlich je auch andere Jobs?

Stimmt, ich war 16 Jahre alt, als ich mit diesem Beruf anfing und ich habe nie etwas anderes gemacht. Also abgesehen von kleinen Schülerjobs. Da erinnere ich mich aber nur noch daran, wie ich Zeitungen im Krankenhaus verteilt habe. Das fand ich furchtbar, weil es mir so unangenehm war, all diese kranken Menschen um 25 Cent bitten zu müssen, stattihnen die Zeitung einfach so zu spendieren.

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Hatten Sie als Jugendlicher eigentlich keine Sorgen, in der Hollywood-Maschinerie unter die Räder zu kommen?

Das war teilweise schon ein irrer Trip damals. Aber ich hatte das Glück, dass ich auf Anhieb mit guten Leuten zusammengearbeitet habe. Und man darf nicht vergessen, dass die Filmbranche in den Achtziger-Jahren noch ein wenig anders war als heute, weniger ausschließlich am Profit ausgerichtet, noch nicht ganz so kommerziell und von anonymen Konzernen gesteuert. Alles in allem weniger unbarmherzig.

Jetzt ist unsere Zeit schon fast um und wir haben noch gar nicht über Politik gesprochen. Dabei ist das ein Thema, das Sie sehr umtreibt, wie man auf Twitter sehen kann, wo Sie sich lautstark und oft ungehemmt zu Wort melden. Hatten Sie nie Bedenken, dass gewisse Aussagen Ihrer Karriere schaden könnten?

Darüber denke ich wirklich nicht nach. Wäre traurig, wenn es so wäre. Ich bin ein freier Mensch und ein Bürger der Vereinigten Staaten, warum also sollte ich nicht eine Meinung zur Politik unserer Regierung haben und diese auch äußern? Wie könnte ich still sein, wenn unsere Behörden Kinder von ihren Eltern trennen und in Käfige stecken? Um nur ein Beispiel für die faschistische Politik unseres Noch-Präsidenten zu nennen. Klar gibt es immer mal wieder Leute, die sich daran stören, was ich zu sagen habe. Aber die können mir dann ehrlich gesagt sonst wo vorbeigehen.

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